Lean, Agil, Design Thinking, Design Sprint – Wann kommt was zum Einsatz?

Kathrin von Kaiz

Kathrin von Kaiz

6. März 2018

Agile Ideen sind großartig, doch allzu oft ist es die Anwendung in der Praxis nicht. Zudem existiert ein Durcheinander der Begriffe und es herrscht oftmals Verwirrung, was die Methoden angeht und ein Transfer in die Praxis scheitert häufig. Es besteht in gewisser Weise Chaos und Unsicherheit beim Thema Innovationsmethoden, vor allem wenn es um die Optimierung der eigenen Prozesse geht. Und das, obwohl immer mehr Unternehmen sich der Wichtigkeit von Agilität und Innovation bewusst werden und beides auf der Agenda haben. Dieser Beitrag bringt Licht ins Dunkel. Das sind die unterschiedlichen Einsatzbereiche und das gilt es bei den Übergangspunkten konkret zu berücksichtigen.

Grundlegende Fragestellungen rund um agile Methoden

„Wann sollen wir Design Thinking einsetzen?“ „Bringt das überhaupt was, oder ist es nur wieder eine neue Spielerei?“ „Was ist der Sinn und Zweck eines Design Sprints?“ „Ist Lean Startup nur für Startups geeignet?“ „Wo und wie passt da Agile hinein?“ „Was passiert nach der Methoden-Phase?“ „Schaffen wir den Transfer in die Praxis?“ Allesamt sind diese sehr häufig gestellte Fragen.

Nur wenige haben die Zeit und Muße sich ausgiebig mit den Themen auseinander zu setzen. Im stressigen Unternehmensalltag sind beide meist sowieso nicht gegeben. Umfragen haben ergeben, dass unter den agilen Methoden Agile am bekanntesten ist. Design Thinking erlebt gerade einen Hype. Abgeschlagen dagegen im Bekanntheitsgrad ist Lean Startup.

Einen Aspekt haben jedoch alle Methoden gemein. Sie arbeiten mit dem gleichen Ziel: In relativ kurzen iterativen Zyklen konkrete Ergebnisse zu liefern, welche dann im Anschluss auf Tauglichkeit getestet werden können. Ganz nach dem Motto „Build, Measure and Learn“. Fehler machen gehört hier zum Mindset – und damit zum Prozess.

Agile Methoden und die unterschätzte Voraussetzung für ihren erfolgreichen Einsatz

Leider werden diese Methoden von den Unternehmen häufig noch falsch eingesetzt. Vor allem die derzeitige Trendmethode Design Thinking wird oft missbraucht um sich selbst Agilität vorzugaukeln. Folgt aber den ersten Phasen der Nutzerbeobachtung und der Ideengenerierung nicht ein konsequentes und rigoroses Prototyping und Testing, sind bald alle vorherigen Effekte verpufft. Zudem braucht es, nach dem ersten Hype, ein großes Maß an Konsequenz und Durchhaltevermögen um diese Methode in den Unternehmensalltag zu integrieren. Um das zu bewerkstelligen sind Knowhow, Veränderungswille und interne Interessensvertreter notwendig.

Wie hängen nun aber alle diese Methoden zusammen? Können mehrere Methoden gleichzeitig eingesetzt werden? Bringt das was oder schadet das eher?

Es gibt zahlreiche Schaubilder, die aufzeigen, wie die Methoden Design Thinking, Lean, Design Sprint und Agile ineinander fließen. Jedoch sind die Übergangspunkte, also wann von einer Methode zur anderen zu wechseln ist, sehr umstritten und unterschiedlich. Es gibt einfach zu viele ähnliche Tools in den Methoden und dadurch auch Überschneidungen.

Das Innovationsspektrum

Egal ob Design Thinking, Lean, Design Sprint und Agile – alle haben im Bereich der Innovationsmethoden ihre Daseinsberechtigung und schaffen den Anwendern einen Mehrwert. Deshalb ist es sinnvoll, sie auch nicht gegeneinander aufzuwiegen und für die eine oder die andere Partei zu ergreifen. Stattdessen sind sie allesamt als Tools und Techniken mit eigenen Werkzeugkästen zu begreifen, die zur richtigen Zeit eingesetzt auch den entsprechenden Nutzen bieten können. Das Thema Innovation ist in Unternehmen sehr unterschiedlich besetzt: Es kann sich von der Erforschung eines abstrakten Problembereichs über die Weiterentwicklung von bestehenden Lösungen bis hin zur Neuentwicklung von Angeboten in einem bestimmten Marktbereich erstrecken. So unterschiedlich wie die Innovationsbestrebungen in den Unternehmen sind, so unterschiedlich funktionieren auch die einzelnen Methoden und so sehr können Sie auch von einem gemeinsamen Einsatz profitieren – Voraussetzung, dass das gelingt, sind Erfahrung und entsprechende Methodenkompetenz.

Geschäftsmodelle als Ansatzpunkt für die Auswahl der geeigneten Methode

Ein Aspekt, der entscheidend dazu beiträgt, welche Methode Sinn ergibt, aber oft übersehen zu werden scheint, ist die Reifegradachse des Geschäftsmodells. Sowohl für etablierte als auch für angrenzende Produkte werden die Geschäftsmodelle oft sehr gut verstanden. Für Startups oder disruptive Innovationen innerhalb eines etablierten Unternehmens muss das Geschäftsmodell jedoch experimentell validiert werden. Dadurch sollten sich dann auch die Methoden unterscheiden, die zum Einsatz kommen.

Agile Methoden in Übersicht und Vergleich

Doch wie unterscheiden sich agile Methoden nun wirklich? Im Folgenden werden Design Thinking, Lean Startup, Design Sprint und Agile kurz beleuchtet.

Design Thinking

Design Thinking glänzt wirklich, wenn es darum geht, den Problembereich besser zu verstehen und die echten Bedürfnisse der Anwender zu identifizieren.

Es gibt verschiedene Ausrichtungen des Design Thinking, aber sie alle folgen dem gleichen Prinzip: divergierendes und konvergierendes Denken wechseln sich ab. Beim divergierenden Teil werden sogenannte Insights von den Nutzern ergründet. Durch den Aufbau von Empathie mit den Nutzern werden viele Einsichten gesammelt. Im Konvergenzteil werden diese Erkenntnisse gebündelt und die wichtigsten Pain-Points, Wünsche, Probleme oder Aufgaben identifiziert, die zu erledigen sind.

Im Laufe des Prozesses werden sehr viele Ideen entwickelt um eine große Anzahl von möglichen Lösungen zu haben, bevor die vielversprechendsten Ideen herausgefiltert, prototypisiert und getestet werden. Design Thinking konzentriert sich hauptsächlich auf qualitative statt auf quantitative Erkenntnisse.

Lean Startup

Der kleine Unterschied zu Design Thinking besteht darin, dass der Unternehmer (oder Intrapreneur) in den meisten Fällen bereits ein gutes Verständnis für den Problembereich hat – es gibt schon Lösungen, auf denen das Geschäftsmodell aufgebaut werden soll.

Prinzipiell betrachtet Lean alles zunächst als eine Hypothese oder Annahme bis zur Validierung, sodass selbst ein gutes Verständnis des Problemraumes erst einmal nur eine Annahme ist. Die Annahmen werden kundenorientiert spezifiziert und entsprechend nach Risiko für die gesamte Lösung priorisiert und validiert. Der Prozess zur Validierung von Annahmen ist gleichzeitig die Entwicklung eines Prototypen (Build), das Testen (Measure) und das Lernen (Learn) daraus, ob unsere Annahme oder Hypothese noch steht.

Lean nutzt qualitative Erkenntnisse frühzeitig, zwingt die Anwender aber später dazu, aussagekräftige quantitative Daten zu definieren um zu messen, wie effektiv die Lösung das Problem angeht und ob die Wachstumsstrategie auf Kurs ist.

Der Begriff „Get out of the building“ wird oft mit Lean Startup in Verbindung gebracht, aber das gleiche Prinzip der Kundenansprache gilt natürlich auch für Design Thinking (… und Design Sprint… und Agile…).

Design Sprint

Es scheint, dass die Google Venture-Methode Design Sprint ihre Wurzeln in einer Technik hat, die im Lean UX-Buch beschrieben wird. Die Stärke eines Design Sprints ist es, Insights zu teilen, Ideen zu entwickeln, Prototypen zu entwickeln und ein Konzept in einem 5-Tage-Sprint zu testen. In Anbetracht des kurzen Zeitrahmens konzentrieren sich Design Sprints nur auf einen Teil der Lösung, aber es ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, wirklich schnell zu erkennen, ob man auf dem richtigen Weg ist oder nicht.

Agile

Genau wie der Umgang mit der Ungewissheit unserer Problem-, Lösungs- und Marktannahmen ist die agile Entwicklung ein hervorragender Weg um mit der Ungewissheit in der Produktentwicklung fertig zu werden, wobei agile Methoden nicht zwingend nur auf Produkte anwendbar sind. Bei den agilen Methoden ist es nicht notwendig, jedes Detail eines Produktes im Voraus zu spezifizieren, denn es gibt in der Realität meist viele Annahmen und Unsicherheiten.

Agile ist eine höchst geeignete Methode um diese Annahmen zu überprüfen und zu verifizieren und gleichzeitig ein Minimum Viable Product (MVP) zu erstellen (um es im Jargon von Lean Startup auszudrücken). Es wird in kurzen Sprints gearbeitet, in welchen Ergebnisse und Aufgaben priorisiert und validiert werden.

Welche agile Methode darf es nun sein?

Es gibt keine klare Regel, wann Sie mit welcher Methode wo anfangen sollen. Es gibt offensichtlich keinen perfekten oder DEN einen Weg und Übergangspunkt von Methode A zu Methode B. Es gibt einfach zu viele Überschneidungen, und diese signifikante Überlappung könnte die Erklärung dafür sein, warum manche Leute behaupten, dass die eine Methode besser ist als die andere.

Wie dem auch sei, die meisten Innovationsmethoden können einen großen Mehrwert bieten, und es ist wirklich Sache des Teams zu entscheiden, wo es anfängt und wann es welche Methoden und Techniken anwendet. Um ein solch kompetentes Team aufzubauen benötigen Sie, wie schon oben erwähnt – neben fähigen, offenen und motivierten Menschen (T-Shape) – ein großes Maß an Durchhaltevermögen und den Willen, das Mindset Ihres Unternehmens zu verändern.

Die wichtigste Gemeinsamkeit, die alle Methoden vereint, ist die unumstößliche und konsequente Kunden-/Nutzerorientierung. Und nur so sind Innovationen überhaupt erst möglich.

(Coverbild: © REDPIXEL | fotolia.com)

Über den Autor

Kathrin von Kaiz

Kathrin von Kaiz

Kathrin von Kaiz ist TCI Partner und Spezialistin, wenn es darum geht, Unternehmen in der digitalen Transformation hinsichtlich der Nutzerzentrierung zu beraten. Egal ob es sich um Themen der Kommunikation, Service-Design oder IT handelt – der Kunde steht immer im Fokus.

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